Matsch-Mauer-Mücken (2016)

Im Juni 2016 nahm ich gleich drei Radwege in Angriff: den Radweg Berlin-Leipzig, den Mauerradweg und den Radweg Berlin-Usedom. Für den erstere hatte ich eine Karte vom BVA, für die beiden anderen zwei Bikeline-Tourenbücher. Es sollte also eine Fahrt an die Ostsee werden, mit einem kleinen Umweg um Berlin. Da ich einen Teil der Strecke bereits 2014 gefahren bin, habe ich diesmal recht wenige Fotos gemacht. Eine ausführlichere Streckenbeschreibung gibt es unter „Kreuzfahrt“.

Von Leipzig nach Wittenberg – 1. Juni 2016 – 95 km

Nachdem ich den Start der Tour, wegen des schlechten Wetters, mehrfach verschoben hatte, ging es dann am 1. Juni los. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Thekla, wo ich noch einen Kaffee trank, ging es über Portitz nach Merkwitz. Der kleine Ort feiert 2016 seinen 750. Geburtstag. Dann ging es über Gottscheina und Schönwölkau in die Noitzscher Heide. Zwischenzeitlich hatte es begonnen zu nieseln und das hörte auch nicht mehr wirklich auf.

Regen
Regen

Bei Bad Düben kreuzte ich den Mulde-Radweg, den ich einige Wochen vorher befahren habe. Bad Düben ist durch das Waldkrankenhaus und den Kurpark bekannt. Dann geht es durch Hammermühle in die Dübener Heide. Dort ist der unbedeutendste Punkt der Erde. Nach Kilometern mit Wald kann man rechts abbiegen und trifft dort auf noch mehr Wald. Ab Bad Schmiedeberg geht es dann nordwestlich über Schloss Reinharz und Kemberg zum Bergwitzsee.

Bad Düben
Bad Düben

Von Kemberg aus bin ich die Landstraße gefahren, da der Radweg gesperrt war. Vom Bergwitzsee ging es dann weiter nach Klitzschena und dann an der Bahnstrecke entlang nach Wittenberg. Die kleine Stadt am Elberadweg war Wirkungsstätte von Martin Luthers, Philipp Melanchthons und Lucas Cranachs des Älteren. Hier treffen sich verschiedene Radwege: Elbe-Radweg, Europa-Radweg, Kohle-Dampf-Licht und der Radweg Berlin-Leipzig. In einer kleinen Pension mit WLAN verbrachte ich die Nacht.

Von Wittenberg nach Zossen – 2. Juni 2016 – 95 km

Von Lutherstadt Wittenberg ging es am Morgen nach Nordosten weiter. Nach Zahna fährt man durch den Ottmansdorfer Wald. Dort gibt es übrigens den „Ottmansdorfer Hüttentreff“, wo ich natürlich eine Pause gemacht habe. Die Gegend nennt man Fläming – wegen der Besiedelung durch niederländische und flämische Siedler im 12. Jahrhundert. Heute ist das Gebiet wegen des Fläming-Skate bekannt, einer 225 Kilometer langen Skate-Strecke, auf der auch der Radweg verläuft.

Fläming Skate
Fläming Skate

Nach Jüterbog fuhr ich dann Richtung Luckenwalde. Der Radweg biegt allerding vorher nach Osten ab und nach Stülpe bis zum ehemaligen Truppenübungsplatz der sowjetischen Streitkräfte. Am Kummersdorfer Gut vorbei gelangte ich schließlich zum Neuendorfer See. In Sperenberg fragte ich dann erstmals nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Auch dieser Tag war etwas verregnet und bis Berlin wollte ich nicht mehr fahren.

Mellensee
Mellensee

Letztlich fuhr ich noch über Rehagen nach Mellensee – wo man am Nordufer einen schönen Blick auf den gleichnamigen See hat – und dann weiter nach Zossen. Dort übernachtete ich in einem Hotel direkt an der Bundesstraße 96. Eine schöne Urlaubsgegend mit Wald, See und einer Draisinenstrecke, die bis nach Jüterbog führt.

Von Zossen nach Falkensee – 3. Juni 2016 – 102 km

Am Morgen fuhr ich dann die letzten zwanzig Kilometer bis Berlin. Der Radweg führt recht einfallslos entlang der Bundesstraße 96 über Rangsdorf und Blankenfelde-Mahlow nach Berlin-Lichtenrade. Bei meiner letzten Befahrung – spätabends – hatte ich ein Schild übersehen und hatte mich im Roten Dudel verirrt. Diesmal fand ich das Schild und landete am Berliner Mauerradweg. Außerdem gab es noch einiges am Himmel zusehen. Zur gerade stattfindenden Internationalen Luftfahrtausstellung gab es eine Air-Show mit waghalsigen Flugmanövern. Später gab es auch normale Flugzeuge, der Radweg führt durch die Anflugschneise des Schönefelder Flughafens.

ILA Berlin AirShow
ILA Berlin AirShow

Nach dem Matsch-Teil dieser Reise, folgte nun also der Mauer-Teil: Ich hatte beschlossen entlang der ehemaligen Grenze der DDR zu Westberlin die Hauptstadt im Uhrzeigersinn zu zwei Dritteln zu umrunden. Der Mauerweg ist durchgehend mit grau-weißen Schildern gekennzeichnet. Große orangene Stelen weisen auf besondere Orte hin, kleine Stelen mit Fotos auf erschossene Flüchtlinge. Mauerreste gibt es nur noch an ganz wenigen Stellen. Ohne das bikeline-Radtourenbuch wären aber viele Orte nicht mehr erkennbar gewesen.

Kirschbäume
Kirschbäume

Bereits nach wenigen Kilometern gelangt man an die ehemalige Geisterstadt. Dort trainierten die in Berlin stationierten amerikanischen Soldaten den Häuserkampf. Von dort bis zum Teltowkanal gibt es eine schöne Kirschbaumallee. Ein japanischer TV-Sender hat seine Zuschauer aus Freunde über die Wiedervereinigung zu einer Spendenaktion aufgerufen und so wurden an verschiedenen Stellen an der ehemaligen Mauer Kirschbäume gepflanzt.

Ein kleiner Gedenkstein zitiert den japanischen Haiku-Dichter Kobayashi Issa: „Unter den Zweigen der Kirschbäume in Blüte ist keiner ein Fremder hier.“

Kunst von Eckhart Haisch
Kunst von Eckhart Haisch

In der Potsdamer Chaussee ließ die sowjetische Armee für zehn gefallene Soldaten ein Panzerdenkmal errichten, das letztendlich an der heutigen Autobahn A115 landete. Beim Abzug der sowjetischen Truppen wurde der Panzer 1990 mitgenommen und zwei Jahre später vom Aktionskünstler Eckhart Haisch durch eine pinkfarbene Schneefräse ersetzt. Natürlich einer sowjetische Schneefräse. Eine Initiative mit dem Namen „Freunde des Panzerdenkmals“ erreichte 2011 eine Restaurierung des Kunstwerkes.

Dann erreichte ich Potsdam und überfuhr die Glienicker Brücke, die durch den Ost-West-Agententausch berühmt wurde. Die Potsdamer Seite ist NVA-grün und die Westberliner Seite NATO-grün gestrichen.

Glienicker Brücke
Glienicker Brücke

Der Radweg führte nun um den Jungfernsee herum zum Wannsee. Von dort ging es nach Norden weiter und nach Überquerung der Heerstraße, wobei ich bereits nach Pensionen und Hotels sah, kam ich nach Falkensee. Dort fand ich nach Abfahren von zwei Pensionen ein freies Hotel. Gemütlicher Fernsehabend mit vier Flaschen Cola.

Von Falkensee nach Biesenthal – 4. Juni 2016 – 101 km

Nach dem Frühstück im Hotel ging es durch den Berliner Forst. Nach dem Nieder Neuendorfer See mit Wachturm gelangt man nach Henningsdorf. Im Henningsdorfer Werk von Bombadier standen einige Züge, die für die Schweizer Bundesbahnen hergestellt wurden. Im Stolper Fort wurde dann der von Wurzelaufbrüchen heimgesuchte Radweg saniert. Zuerst stellt man mal einen Zaun hin – für Eidechsen und andere Reptilien.

Radweg-Sanierung
Radweg-Sanierung

Ein Stückchen weiter ist der Wachturm „Deutsche Waldjugend“. Zwei Lehrer haben im ehemaligen Todesstreifen Bäume gepflanzt und dafür ein Bundesverdienstkreuz erhalten. In Tegel hatte ich dann die einzige Panne dieser Fahrt. Vom Schlauch des Hinterrades hatte sich die Luft verabschiedet. Vermutlich ein Spätschaden aus dem Stolpener Forst. Ich zog einen Ersatzschlach auf.

Grenzturm Deutsche Waldjugend
Grenzturm Deutsche Waldjugend

Weiter durch das Tegeler Fließtal zum Köppchensee, wo der Mauerweg nach Süden abbiegt. Nun folgt das Märkische Viertel – die Großwohnsiedlung wurde zwischen 1963 und 1974 gebaut und war für 50.000 Bewohner ausgelegt. Eine Spielwiese für zahlreiche Sozialarbeiter. Als ich durch „det Jebirje“ gefahren bin, hörte ich auch gleich warum.

Mein Block
Mein Block

Nach einem scharfen Linksknick ging es nun südöstlich an den Bahngleisen entlang. Unterwegs gab es am Friedhof Pankow eine kleine Eis-Pause. Inzwischen hatte ich Sonnebrand und mir den rechten Fuß verzerrt. An der Kolonie Bornholm, etwas nördlich des ehemaligen Grenzüberganges Bornholmer Straße, endete dann meine Befahrung des Berliner Mauerweges und ich bog auf den Radweg Berlin-Usedom nach Norden ab.

Karpfenteich
Karpfenteich

Entlang der Panke, am Schloss Schönhausen vorbei, ging es nun über Zepernick nach Bernau. In Lobetal gab es dann „Siebenklang“: In der Waldkirche am Mechesee fand ein Chorkonzert mit SCALA & Kolacny Brothers im Rahmen des Musikfestivals statt. Zwölf Kilometer weiter, in Biesenthal, fand ich dann eine kleine Pension zum Übernachten.

Von Biesenthal nach Warnitz – 5. Juni 2016 – 74 km

Erstmal verschlafen. Dann gab es ein leckeres Frühstück und ziemlich spät brach ich dann auf. Es ging durch den Wald nach Norden. Meine Fußverzerrung sollte sich erst später melden und so war die morgendliche Fahrt recht angenehm. Zuerst fuhr ich nach Marienwerder und dann am Werbellinkanal über Rosenbeck und Eichhorst nach Wildau.

Askanierturm
Askanierturm

Dort endet der Kanal im Werbellinsee. An der Mündung steht der Askanierturm, der aber nichts mit den Askaniern und Albrecht dem Bären zu tun hat. An der Norseite des Sees befindet sich das Jagdschloss Hubertusstock, wo Friedrich Ebert, Paul von Hindenburg und Erich Honnecker der Jagd nachgingen. Das Haus hatte ich bereits bei meinem letzten Besuch besucht, so das ich diesmal vorbeifuhr.

Werbelinsee
Werbelinsee

Ansonsten ist die Strecke am See sehr anstrengend und meine Zerrung meldet sich. So schob ich das Fahrrad größtenteils. An Joachimsthal fuhr ich vorbei. Hier hatte ich bei meinem letzten Besuch die „Burgruine“ besichtigt, fand das aber etwas enttäuchend. Die folgende Strecke bis Parlow und dann nach Osten bis Glambeck bin ich dann wieder etwas gelaufen. Hier bin ich auch schon zur Tour Brandenburg gewesen.

Glambeck
Glambeck

In Glambeck besuchte ich diesmal die Klause an der Fahrradkirche: Eis und Cola. Eigentlich eine ungesunde Mischung, aber bei Temperaturen von 26 Grad sehr erfrischend. Diesmal bin ich die Originalstrecke gefahren und gelangte über Wolletz, Görlsdorf und Peetzig nach Steinhövel. Seen und Wald – eine schöne Gegend. In Steinhövel machte ich dann eine weitere Rast mit einer „Schulklasse“ – drei kleine Mädchen mit vier Betreuern – die noch bis Prenzlau fahren wollten.

Hindernis
Hindernis

Da wollte ich nicht mehr hin. Am Oberuckersee in Warnitz bog ich vom Radweg ab und buchte ein Radfahrer-Zimmer im Hotel. Von außen sah der Bungalow ziemlich schäbig aus, von innen entsprach es durchaus dem Preis. Die drei Radfahrerinnen im Nachbarzimmer hatten auch ihren Spaß.

Von Warnitz nach Torgelow – 6. Juni 2016 – 74 km

Das Panorama-Hotel, in dem ich nun frühstückte, begann übrigens als Schulungsstätte und Erholungsheim des Ministeriums für Bauwesen. Nach der Wende war es eine Schule für den Zoll und wurde dann 2000 an die Familie Burmeister verkauft, die das Hotel heute betreibt. Ich fuhr erstmal fünf Kilometer nach Norden und umfuhr den Krummesee, um dann wieder am Nordufer des Oberuckersees zu landen. Laut einer Sage soll hier ein Typ übers Wasser geritten sein. Er hieß aber nicht Jesus, sondern Kurt und war ein Ritter.

Uckermark
Uckermark

Bereits nach sieben Kilometern machte ich eine Pause. Dort befand sich der Mittelpunkt der Uckermark und ein kleiner Berg, an dem ich das Fahrrad hochschob. Heute sollte mir besonders der Sattel meines neuen Fahrrades und die Verzerrung am Bein zu schaffen machen. Hitze und Sonnenbrand waren da eher harmlos, ich hatte genug Wasser dabei. Weiter ging es über Potzlow, Strehlow und Zollchow zum Unteruckersee, wo man an einer Raststätte einen schönen Blick auf Prenzlau hat.

Prenzlau
Prenzlau

Neben Marienkirche, Dominikanerkloster und Steintorturm gibt es im Bereich der erneuerbaren Energien viel zu sehen: Die Enertrag AG betreibt seit 2011 in Prenzlau das weltweit erste Wasserstoff-Wind-Biogas-Hybridkraftwerk. Neben den drei Windkraftanlagen dieses Kraftwerkes gibt es noch 69 weiter Windkraftanlagen von Enertrag in der Uckermark – insgesamt betreibt das Unternehmen 1400 Windräder.

Spargelwald
Spargelwald

Nun ging es über Schönwerder nach Bandelow zur Bauernkäserei. Diesmal hatte ich keine Lust auf Käse und aß lieber ein großes Eis. Weiter über Trebenow, Nechlin, Nieden, Schmarsow, Rollwitz nach Pasewalk. Dort hielt ich mich nicht lange auf, fuhr aber diesmal direkt durch die Stadt. Nach Viereck folgte bis nach Torgelow ein großes Militärgelände. 1952 wurde hier die Kasernierte Volkspolzei stationiert, ab 1956 die NVA mit der 9. Panzerdivision und heute gibt es das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Torgelow.

Torgelow
Torgelow

Nach der Ernst-Thälmann-Siedlung macht die Straße einen Knick nach Nordwesten und führt dann sieben Kilometer schnurgerade nach Torgelow. Die Hälfte der Strecke bin ich gehumpelt, radfahren ging garnicht mehr. In Torgelow fand ich dann ein kleines Hotel. Nach kurzer Zeit traf die Schulklasse vom Vortag ein – sie hatten mich tatsächlich eingeholt. Nach einem schönes Abendessen und kalten Getränken schlief ich dann mitten im Ukranenland weg.

Von Torgelow nach Heringsdorf – 7. Juni 2016 – 77 km

Nach dem Frühstück in dem kleinen Hotel ging es schnurstraks nach Norden. Nach Kattenberg , Ziegenberg, Torgelow-Holländerei, Eggesin und Hoppenwalde erreichte ich dann Ueckermünde. Hier hatte ich meine letzte Befahrung beendet. Auch meine Radtour auf dem Oder-Neisse-Radweg endete hier. Diesmal gab es nur eine kleine Pause am Stadthafen und dann ging es nach Westen weiter.

Ueckermünde
Ueckermünde

Nach Mönkebude und Leopoldshagen biegt der Radweg nach Norden ab und führt nach sechs Kilometern zur Anklamer Fähre. Ging es das letzte Mal recht abenteuerlich mit einem kleinen Kahn über das Stettiner Haff, so fuhr ich nun mit der offiziellen Fähre. Für 9 Euro konnte ich so immerhin über 30 Kilometer Umweg einsparen. Bei der Überfahrt konnte man die Reste der alte Eisenbahnhubbrücke bewundern, welche 1945 von der Wehrmacht gesprengt wurde. Damit wurde für 55 Jahre der Zugverkehr zur Insel unterbrochen.

Eisenbahnhubbrücke Karnin
Eisenbahnhubbrücke Karnin

An dieser recht engen Stelle des Haffs überquert auch eine wichtige Stromleitung den Wasserweg zur Insel, die kein eigenes Kraftwerk hat. Nun war ich endlich auf der Insel und fuhr von Karnin aus nach Usedom. Ein sehr holperiger Weg, den ich schon 2012 gefahren bin. Von Usedom geht es dann weiter nach Osten über Stolpe, Dargen mit seinem Technik-Museum und Zirchow nach Garz.

Usedom
Usedom

In Garz biegt der Radweg im rechten Winkel nach Norden ab. Fünf Kilometer weiter in Korswandt fragte ich nach einem Zimmer und wurde nach Heringsdorf vermittelt. Mit dem Rad ging es eine üble Steigung zum Zirowberg hinauf und dann abwärts nach Ahlbeck. Auf Strand und Ostsee hatte ich keine Lust mehr und fuhr auf der Landtraße 266 nach Heringsdorf.

Stettiner Haff
Stettiner Haff

Im Ortsteil Neuhof fand ich dann das Hotel. Dort gab es zur Abwechslung mal eine Wanne. Außerdem gab es noch etwas Neues: Mückenstiche. Kurze Hosen haben ihren Nachteil. Schlafen.

Von Heringsdorf nach Zinnowitz – 8. Juni 2016

Der zweite und letzte Tag auf der Insel begann mit einem tollen Frühstück im Hotel. Dann ging es erstmal auf der Landstraße 266 weiter nach Bansin. Im letzten der drei Kaiserbäder fuhr ich dann zur Strandpromenade. Dort kam man leider nur gegen Bezahlung zum Strand.

Ostsee
Ostsee

Weiter ging es auf einer acht Kilometer langen und recht steigungsreichen Strecke nach Kölpinsee. Zwischendurch war ich dann auch endlich mal am Strand. Ein wirklich wunderschöner Tag mit tollem Wetter auf der Badeinsel der Ostdeutschen. Dafür hat sich die Fahrt auch gelohnt, obwohl bei mir ja immer der Weg das Ziel ist.

Ostsee
Ostsee

Den Weg kannte ich noch von meiner Ostseeküstenbefahrung im Jahr 2012 und auch der Baum mit dem seltsamen Gesicht stand noch am selben Ort. Dann ging es wieder weiter. Erst zum Seebad Koserow und dann weiter nach Zempin und letztendlich nach Zinnowitz.

Usedom
Usedom

Von der Insel kommt man übrigens mit der Usedomer Bäder-Bahn die über das Blaue Wunder bei Wolgast die Insel erreicht. Die Bahn fährt jede Stunde, allerdings fährt dann der Anschlußzug nur alle zwei Stunden. Ich fuhr nun relativ gemütlich, kam dann aber doch eine Stunde zu früh in Zinnowitz an.

Zinnowitz
Zinnowitz

Am Bahnhofsschalter, einen Automaten gab es nicht, kaufte ich ein Quer-durchs-Land-Ticket und fuhr dann doch schonmal nach Züssow, wo ich auf den RegioExpress nach Falkenberg eine Stunde warten musste. Nach Leipzig fuhr ich dann weiter mit einer RegioBahn.

Usedomer Bäderbahn
Usedomer Bäderbahn auf der Wolgaster Brücke

Freitag, 28.10.2016

Der zweite Teil der Radtour, der eigentlich aus der Rückfahrt von Usedom nach Leipzig bestehen sollte, sollte nun erst im Oktober 2016 stattfinden. Auch in meiner Urlaubswoche musste ich die Fahrt nochmal verschieben, so das letztendlich nur vier Tage zur Verfügung standen. Am Freitag, den 28. Oktober, startete ich mit dem RE 18385 nach Falkenberg und nach einer längeren Wartezeit ging es dann mit dem RE 3310 weiter nach Anklam, wo ich dann mit vierzig Minuten Verspätung ankam.

Anklam
Anklam

Eigentlich wollte ich gleich auf die Insel fahren, aber wegen Bauarbeiten ging es nur bis Anklam. Von dort gab es Schienenersatzverkehr mit einem Bus, welcher natürlich keine Fahrräder mitnimmt. So hatte ich schon in Leipzig geplant, gleich nach Wolgast zu radeln, um von dort aus die Insel zu erkunden.

In Anklam hatte ich schon 2012 das Otto-Lilienthal-Museum besucht, am Steintor fuhr ich direkt vorbei und die Peendamm-Mühle sah ich, als ich nördlich, neben der Bundestraße, die Stadt verliess. Dabei überquerte ich die Peene, einem sehr interessanten Fluß – dazu später mehr.

Rubkow
Rubkow

Nach drei Kilometern teilt sich der Radweg. Man kann nach Osten abbiegen und über die Zecheriner Brücke auf die Insel Usedom gelangen. Das ist der Radweg Berlin-Usedom, den ich schon zweimal mit den Anklamer Fähren abgekürzt habe. Oder man fährt weiter nach Norden.

Über Rubkow und Zemitz geht es nach Wolgast – dem Tor zur Insel Usedom. Dort steht die zweite Brücke zur Insel, über die auch die Usedomer Bäder-Bahn fährt. Vor Zemitz gab es viele Umleitungsschilder, aber die Bauarbeiten waren bereits beendet. So gelangte ich relativ schnell nach Wolgast.

Wogast
Peene-Werft Wolgast

In Wolgast wurde es dann dunkel und so beschloss ich in der Stadt zu übernachten. Gegenüber der Peene-Werft kam ich in einem kleinen Hotel unter und so endete der erste Tag mit fünf Stunden Zugfahrt und zwanzig Kilometern auf dem Rad.

Sonnabend, 29.10.2016

Eine Klappbrücke gab es in Wolgast schon seit 1934, als die Wolgaster Fähre den Autoverkehr zur Insel nicht mehr bewältigen konnten. Diese wurde zum Kriegsende von der Wehrmacht gesprengt und bis 1950 erneuert. 1996 wurde diese Brücke abgerissen und das heutige „blaue Wunder“ eingeweiht.

Die zwanzigjährige Brücke soll nun eine Schwester erhalten: eine Hochbrücke zur Ortsumgehung ist für die nächsten Jahre geplant. Über die Wolgaster Peenebrücke führt übrigens auch das Gleis der Usedomer Bäder-Bahn, mit der ich im Juni die Brücke überquerte.

Brücke Wolgast
Brücke Wolgast

Diesmal ging es mir dem Fahrrad zurück zur Insel. Die Brücke ist sechsmal am Tag für den Bootsverkehr für fünfzehn Minuten geöffnet. Die Brückenzeiten hatte ich im Hotel erfragt, sonst hätte ich die Brücke vermutlich nicht geöffnet gesehen. Von der Brücke ging es quer über die Insel nach Trassenheide, wo ich nach links in den Wald nach Karlshagen abbog.

Ostsee bei Karlshagen
Ostsee bei Karlshagen

Zwischendurch blieb auch noch Zeit mal an den Strand zu gucken. Nun ist die Ostsee bei 11 Grad nicht gerade badetauglich, aber durch das relativ schöne Wetter waren doch viele Leute spazieren. Für den Tag war wenig Bewölkung angesagt und in der Ferne war sogar die Insel Rügen zu erkennen.

Bunker bei Peenemünde
Bunker bei Peenemünde

In Karlshagen ging es dann Richtung Südwesten, fast bis zum Peenestrom und dann wieder nordwestlich nach Peenemünde. Unterwegs kann man eine eingestürzte Bunkeranlage der Heeresversuchsanstalt ansehen. 2012 war ich die Straße weiter nördlich gefahren, die an den alten Eisenbahnschienen entlang führt. Die Südstrecke war aber landschaftlich interessanter – allerdings gab es starken Westwind. Ich machte viele Fotos.

Kraftwerk der Heeresversuchsanstalt
Kraftwerk der Heeresversuchsanstalt

2012 hatte ich das Kraftwerk der Heeresversuchsanstalt besichtigt. In Peenemünde wurden die A4-Raketen – im Volksmund V2 genannt – und deren Vorgänger entwickelt. Eine Rakete steht dort auch im Garten. Gebaut wurden die Raketen von sowjetischen Krieggefangenen. Spektakulär war eine Flucht von neun Gefangenen mit einem deutschen Flugzeug. Nach einem Beihnaheabschuss durch die sowjetische Luftabwehr wurden sie dann erstmal als deutsche Spione verhaftet…

U-Boot in Peenemünde
U-Boot in Peenemünde

Im Hafen von Peenemünde liegt übrigens ein sowjetisches U-Boot, welches ich ebenfalls schon 2012 besichtigt hatte. Die B-124 (vorher K-24) konnte aufgetaucht vier atomare Marschflugkörper vom Typ SS-N3 starten. Außerdem gab es Torpedo-Abschußrohre. In Dienst gestellt wurde das U-Boot 1965, 1991 wurde es außer Dienst gestellt und 1998 nach Peenemünde gebracht. Seitdem heißt es U-461.

Usedomer Strand
Usedomer Strand

Nun ging es erstmal zurück nach Trassenheide. Diesmal, mit Rückenwind, vermutlich doppelt so schnell. Dort ging es dann auf den Küstenradweg, der nun über die ganze Insel führt, in Richtung Ahlbeck. Zum Mittagessen gab es unterwegs einen Eierkuchen mit Apfelmus, Zucker und Zimt. Sehr viele Buden hatte zu dieser Jahreszeit nicht mehr geöffnet.

Usedomer Strand
Usedomer Strand

Der Küstenradweg führt über Zinnowitz, Zempin, Koserow, Kölpinsee, Ückeritz, Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck. Es ist eine sehr abwechslungsreiche Strecke. Es gab Krüppelkiefern und Buchen, es gab flache Promenaden, Steilküste und 50 Meter hohe Berge und es gab verdammt viele Fußgänger. Ich blieb immer mal stehen, um die teilweise seltsamen Blicke auf die Ostsee zu geniessen.

Ahlbeck
Ahlbeck

Nach Ahlbeck bog ich dann auf dem Radweg Berlin-Usedom nach Süden ab und fuhr über Korswandt nach Garz. Nochmal eine sehr bergige Strecke. Von Garz aus ging es wieder nach Westen, am Flugplatz vorbei nach Zirchow und über Neverow und Bossin nach Dargen. Das dortige DDR-Museum war aber geschlossen, wie auch die ganzen kleinen Gartenkneipen, in denen ich im Juni eingekehrt war.

Dargen
Dargen

Im Jahre 2012 war der Trabbi am Eingang übrigens noch weiß und händisch beschriftet. Nun gibt es einen grünen Schmal-Trabbi. Die letzten zehn Kilometer bis Usedom führten über Stolpe. Dort bekam ich nun endlich mal das Schloss zu Gesicht, das ich aber nur sah, weil ich den Abzweig des Radweges verpasste und die letzten Kilometer auf der Landstraße zurücklegte.

Schloss Stolpe
Schloss Stolpe

In Usedom suchte ich erstmal eine Pension und machte mit zwei Flaschen Fanta die Reiseplanung für den nächtsen Tag, denn eine Inselüberquerung in nur einem Tag hatte ich garnicht geplant.

Sonntag, 30.10.2016

Die erste Etappe des Tages führte auf dem Radweg Berlin-Usedom von Usedom nach Anklam. Die beiden Fähren in Karnin hatte ich gleich abgeschrieben, da ich pünktlich 11:05 Uhr am Anklamer Bahnhof sein musste. So fuhr ich über Vossberg entlang der Bundesstraße 110 zur Zecheriner Brücke.

Stromleitung
Stromleitung

Unterwegs unterquert man die Stromleitung Anklam-Bansin mit ihren seltsam verspannten Masten. Es ist eine 100-kV-Leitung die bei Karnin den Peenestrom überquert. Die beiden dortigen 85-Meter-Masten und die 780 Meter-Überquerung sind sehr beeindruckend. Mit dieser Leitung wird die Insel Usedom mit Strom versorgt. Nach Kriegende wurde bei Peenemünde eine weitere Leitung über die Peene gebaut, um den Strom des Kraftwerkes der ehemaligen Heeresversuchsanstalt zum Festland zu leiten.

Zecheriner Brücke
Zecheriner Brücke

Die Zecheriner Brücke ist die zweite Brücke zur Insel Usedom. Es ist eine Stahlgitterbrücke mit einem Klappteil. Auch hier gibt es Brückenöffnungszeiten, die ich jedoch nicht in Erfahrung gebracht habe. Auch diese Brücke führt über den Peenestrom, einem der drei Mündungsarme der Oder in die Ostsee. Den Namen hat der Peenestrom von der Peene, die durch Anklam fliesst und bei Nordostwind auch mal die Fliessrichtung wechselt.

Totholz
Totholz

Von der Zecheriner Brücke bis Johannishof führt ein drei Kilometer langer Damm, mit einer recht interessanten Landschaft. So gab es nördlichen ein Totholzwald zu sehen und südlich interessante Wasserpflanzen. Dann ging es über Pinnow, Libnow und Relzow nach Anklam weiter. Dort überquerte ich wieder die Peene.

Anklam
Anklam

In Anklam fand ich den Bahnhof nicht mehr und musste zum Handy greifen, stand dann aber pünktlich am Bahnhof und kaufte ein Quer-durchs-Land-Ticket und ein Fahrrad-Ticket. Im Zug plante ich nochmal um, fuhr nun bis Berlin-Gesundbrunnen, wo ich 13:21 Uhr ankam und die zweite Etappe des Tages begann: der Berliner Mauerweg, Teil2.

Mauerpark
Mauerpark

Vom Bahnhof Gesundbrunnen bin ich gleich auf die Bornholmer Straße und auf den Mauerradweg, der hier gleichzeitig auch der Radweg Berlin-Usedom ist. Sonntagnachmittag. Schönes Wetter. Straßenmusik. Menschenmassen im Mauerpark – ich bekam einen kleinen Zivilisationsschock.

Mauerreste Bernauer Straße
Mauerreste Bernauer Straße

Langsam arbeitete ich mich mit dem Fahrrad durch die Reisegruppen und Menschentrauben. Dann bog ich in die Bernauer Straße ab, wo noch ein Stück der originalen Mauer mit Wachturm zu sehen ist. Dort befindet sich auch der Nordbahnhof (Stettiner Bahnhof), der zu DDR-Zeiten ein Geisterbahnhof war. Vor dem Krieg fuhren vom Sonderbahnsteig G die „KDF-Züge“ zu den Ostseebädern. Der Radweg führt nun – etwas verwinkelt – zur Spree und zum Regierungsviertel.

Reichstag
Reichstag

Ich fuhr am Paul-Löbe-Haus vorbei und machte am Reichstagsgebäude eine kleine Pause. Ich wurde sofort umringt – von Spatzen auf Futtersuche. Vor dem Reichstag gab es wieder viele Menschen und ich beschloss auf der Wilhelmstraße weiterzufahren. So gelangte ich zum Denkmal für die ermordeten Juden in Europa.

Holocaust Mahnmal
Holocaust Mahnmal

Hatte das Holocaust-Mahnmal am Anfang vor allem Akzeptanzprobleme, so sind es heute Risse im Beton, die zu schaffen machen. Einige Stelen müssen nun Stahlmanschetten tragen. „This is a place of no meaning“, sagte Architekt Peter Eisenman. Über die Bedeutung des Potsdamer Platzes – ein paar Meter weiter – kann man sich streiten.

Potsdamer Platz
Potsdamer Platz

Ich hielt auch nur kurz an, um ein Foto zu machen, dann ging es weiter in die Stresemannstraße und die Niederkirchnerstraße. Dort steht auch noch ein Stück Mauer. Allerdings eingezäunt. Die Mauerspechte haben fleißig geknabbert und so sind schon große Löcher im Beton.

Niederkirchnerstraße
Niederkirchnerstraße

Nach Überquerung der Wilhelmstraße folgte die Friedrichstraße mit dem Checkpoint Charlie. Dann ging es weiter, um die Bundesdruckerei herum, zum ehemaligen Übergang Prinzenstraße. Ein paar Meter weiter drehte derweilen Skate-Dog seine Runden. Der kleine Youtube-Star war aber etwas lustlos. Ich auch – etwas zuviel Hauptstadtrummel.

Skate-Dog
Skate-Dog

Weiter über die Köpeniker Straße – da ist der „Tresor“, über die Spree, um das YAMM herum zur Eastside-Gallery. Auch hier stehen inzwischen Zäune und Menschentrauben. Über die Oberbaumbrücke zurück zu anderen Spree-Seite und dann durch Treptow zum Plänterwald und zum ehemaligen Übergang Sonnenallee.

Eastside-Gallery
Eastside-Gallery

Nach der Überquerung des Britzer Zweigkanals wird es sehr ruhig. Zwischen Spreekanal und Autobahn A113 geht es ein paar Kilometer einen breiten Weg entlang. Viel Graffiti: von 1UP bis +-0. Mit einer sehr langen Auffahrt über die Autobahnbrücke zur anderen Kanalseite. Dort, kurz vor der Rudower Höhe, wieder ein Mauerrest und zwei Stelen für Horst Kutscher und Johannes Spreng.

Mauerreste
Mauerreste

Der Mauerweg führt nun weiter an der A113 entlang, die allerdings zweimal unterirdisch verschwindet, nach Schönefeld. Ehemaliger Spionagetunnel. Kinder die Drachen steigen lassen. Ein Imbiss mit dem Namen „Am Ziel“. Bin ich ja fast – Zeit für einen Kaffee.

Am Ziel
Am Ziel

Die letzten Kilometer der Westberlin-Umrundung versinken in Finsternis. Schlagartig wurde es Dunkel. Bis Mahlow wurde es noch einmal richtig anstrengend. Kaum ein Schild ist noch zu erkennen. Ich fahre teilweise Abkürzungen und fast nur noch mit Handy-Navigation. Irgendwann fällt das Handy runter. Es überlebt, aber die Hülle bleibt verschwunden.

Rückfahrt
Rückfahrt

Endlich angekommen geht es im Eiltempo zu Bahnhof Lichterfelde-Ost. Zehn Minuten vor Abfahrt des Zuges komme ich am Bahnhof an. Der Zug hat fünf Minuten Verspätung. Mit dem RE3353 ab 18.50 Uhr nach Wittenberg, dort in die RegioBahn nach Bitterfeld und letztendlich mit der S-Bahn S2 zum Bahnhof Wilhelm-Leuschner-Platz.