Unterwegs auf dem Harzer Hexen-Stieg von Osterode nach Treseburg
Der „Harzer Hexen-Stieg“ – der bekannte Harzer Wanderweg beginnt in Osterode am Harz und führt über fast 100 Kilometer durch den Harz bis nach Thale. Im Dezember 2024 lief ich 90 Kilometer bis nach Treseburg. Die letzten zehn Kilometer von Treseburg bis Thale war ich bereits im November 2024 gelaufen. Die Planung der Etappen machte ich entsprechend der Webseite von Harzinfo.de und buchte Hotels entlang des Weges.
Am Mittwoch, 4.12.2024, 07:20 Uhr, wartete ich in Leipzig auf die S 5X nach Halle. Die S-Bahn hatte reichlich Verspätung, weil ein Fahrgast die Bundespolizei auf den Plan rief. In Halle war ich dann zu spät und musste eine Stunde später mit dem RE 9 nach Nordhausen. Dort ging es mit der RB 80 nach Herzberg und dann mit der RB 46 nach Osterode am Harz. Ein Stunde später als geplant, sah ich mir den Ort an und lief zum Startpunkt des Harzer Hexenstiegs. Bereits ab dem Bahnhof (Osterode am Harz Mitte) ist der Zuweg ausgeschildert.
Etappe 1 am 04.12.2024:
Osterode – Buntenbock
Strecke 11,6 km; Aufstieg 439 hm; Abstieg 100 hm
Direkt gegenüber des Startpunktes ging es erstmal schön bergauf und das sollte die ganze Etappe nicht mehr aufhören. Immerhin ging es in dieser Etappe über 400 Höhenmeter aufwärt. Bereits nach einigen hundert Metern erinnerte mich ein krächzender Rabe daran, den Wanderpullover anzuziehen. Ich lief mit der Winterausrüstung: Winterwanderschuhe, Gemyse-Jacke und gefütterte Outdoor-Hosen. Bis zur dritten Etappe war ich noch der Meinung, das sei vielleicht etwas „überdimensioniert“.
Ich trug den kleinen 40-Liter-Rucksack auf dem Rücken. Im Gegensatz zu den Kiepen von früher, die angeblich bis zu 40 Kilogramm wogen und von alten Frauen den Berg hochgeschleppt wurden, war ich nur mit 10 Kilogramm unterwegs. Bei einem Holzkunstwerk am Wegesrand, hätte man die 40 Kilogramm mal heben können. Ich war aber nicht so blöd, dies zu versuchen. Stattdessen stellte ich mich im Kopf auf den „Wandermodus“ um – man taucht langsam in die Natur ein und vergisst das restliche Leben…
Die erste Etappe des Harzer Hexen-Stiegs ist sehr einfach und recht gut zum antesten. Man läuft die ganze Zeit auf einer Art Forststraße. Später kamen mir auch eine Kolonne von fünf Forst-SUVs entgegen. Keine Ahnung, aber vielleicht haben die Bäume jetzt Einzelbetreuung, soviel Wald steht ja nicht mehr. Auf den nachfolgenden Etappen wird es auf jeden Fall manchmal etwas mehr „Stieg“ und teilweise auch sehr gefährlich. Weniger durch den Weg ansich, als durch rutschiges Laub. Den „Forstweg-Charakter“ der ersten Etappe haben viele Leute im Internet kritisiert. Naja, früher ist man auch durch einen Wald gelaufen und nicht durch eine Art Heide.
Auffällig war auch öfters das schwarze Laub oder ganze schwarz gefärbte Pflanzen. Soweit ich mich erinnerte, könnte das auf plötzlichen Frost hinweisen oder schlimmer Schwarzfäule oder Schimmel durch zuviel Feuchtigkeit. Zuviel Wasser hatten auf jeden Fall die Schutzhütten auf dem größten Teil des Hexen-Stiegs, zum Beispiel bei der Schutzhütte auf dem Eselplatz, den ich nun erreichte. Schutzhütte, du hattest eine Aufgabe!
Dafür gab es eine Viedoüberwachung, lustig geschnitzte Tiere und ein paar Bäume im Hintergrund. Dann lief ich weiter in Richtung Lerbach. Einst war ein Ritter auf dem Weg nach Clausthal und wollte sein Pferd mit Wasser vom Fluss tränken. Durch eine Dürre war dieser jedoch ausgetrocknet, woraufhin er beim Aufstieg zurück auf den Berg gesagt haben soll: „Ei du verdammter leerer Bach!“. Der Lerbach gab dann dem Ort den Namen. Im Dezember 2024 gab es keine Dürre, es fing an zu nieseln. Auf der Wanderkarte stand etwas von „Rote Sohl“. Sicher etwas Wichtiges.
Weiter ging es dann zum Mangelhalber Tor bei Kilometer 7,5. Wenn die Natur nichts mehr hergibt, muss man halt Klimbim an den Wegesrand stellen. Auch dazu gibt es sicher eine schöne Geschichte, die ich leider vergessen habe. Vermutlich habe ich die Erklärungsschilder auch einfach nicht gelesen, weil die dort stehende Schutzhütte ebenfalls nass war. Ich bereute ein wenig, dass ich das aufblasbare Sitzkissen zuhause gelassen hatte.
Dann ging es auf dem „Hundschen Weg“ weiter. War ich bis Kilometer 10 wegen des Anstiegs ins Schwitzen gekommen, war es nun das Auftauchen von Bebauung, wo keine sein sollte. Kurz vor Buntenbock bin ich dann nicht abgebogen und gelangte daher zum Ziegenberg und der Ortschaft. Genauer: ich umwanderte den Ziegenberg westlich statt östlich. Klassisch verlaufen. Mit Hilfe der Wanderkarte fand ich mit zwei Kilometer Umweg zurück zum Hexen-Stieg. Probleme mit der Ausschilderung sollte es noch öfters geben. Die Karte zeigte auch öfters einen anderen Weg, als ausgeschildert war.
Ein paar Meter weiter gelangte ich dann zu meiner heutige Übernachtung auf Campingplatz Prahljust: Nummer 3 der fünf urgemütlichen Finkota-Campingfässer. Die Fässer sind beheizt (Ölradiator und Infrarotstrahler) und können daher auch im Winter genutzt werden. Ich war etwas skeptisch, ob es warm genug wird. Aber mit allen Reglern auf Anschlag und der kuscheligen Leihbettwäsche hat es dann gepasst. Ein „Gelbes Haus“ mit Dusche und Toilette ist gleich nebenan. Ich kochte Kaffee mit dem mitgebrachten Campingkocher – leider verabschiedete sich die Wintergaspatrone und damit meine Kochmöglichkeit. Egal erstmal schlafen.
Etappe 2 am 05.12.2024:
Buntenbock – Torfhaus
Strecke 22,3 km; Aufstieg 412 hm; Abstieg 170 hm
Früh benutzte ich dann den Camper-Raum des Campingplatzes zum Kochen, trank noch einen großen Kaffee, winkte dem Fuchs zu und brach zur zweiten Etappe auf. Übrigens: toller Campingplatz. Die Etappe ist mit 22 Kilometern nun fast doppelt solang, wie die erste. Nach der „Kunst-Etappe“ kam nun die „Wasser-Etappe“. Hier gibt es einige Verweise, da ich es auch nicht besser erklären kann.
„Die Oberharzer Wasserwirtschaft ist ein hauptsächlich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert geschaffenes System zur Umleitung und Speicherung von Wasser, das Wasserräder in den Bergwerken des Oberharzer Bergbaus antrieb. Es gilt als das weltweit bedeutendste vorindustrielle Wasserwirtschaftssystem des Bergbaus. 2010 wurden die Bauwerke wegen ihrer Einzigartigkeit und ihres großen Umfanges zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die Anlagen werden zu einem großen Teil weiterhin betrieben, wobei der Zweck überwiegend in der Pflege einer historischen Kulturlandschaft, im Naturschutz, Tourismus und im Badebetrieb besteht. Wasserwirtschaftlich gesehen haben einige Stauteiche noch einen Zweck im Hochwasserschutz und in der Trinkwassergewinnung.“
Quelle: Wikipedia
Die Huttaler Widerwaage (das zu sehende Becken) ist in der Lage, bei Niedrigwasser durch entsprechende Öffnung Wasser aus dem Huttal dem Hirschler Teich zuzuführen und ihn umgekehrt bei Hochwasser von überschüssigen Wasser zu entlasten. Es gab mehrere Umbauten des Systems – das linke Mundloch ist zugemauert. Ziemlich erstaunlich was hier für Aufwand getrieben wurde. Damit das System funktioniert, hat der Graben kein Gefälle. Hier befindet sich auch eine Stempelstelle der Harzer Wandernadel. Nein, damit fange ich nicht an.
Der Hexen-Stieg überquert dann die Harz-Hochstraße (B242) und verläuft dann nördlich davon in Richtung Altenau. Vermutlich war hier früher mal ein Waldgebiet. Nach einem Kilometer trifft man wieder auf die Straße und läuft auf dem Sperberhaier Damm, der in den Jahren 1732–1734 errichtet wurde. Damit wurde in 16 Metern Höhe ein Tal überbrückt. Zum dreijährigen Bau des Baus wurde auch ein Baubüro errichtet. Heute ist dieses Baubüro mit dem Namen Sperberhaier Dammhaus eine Gaststätte für die Durchreisenden. Auf dem Foto ist der Wasserverlauf offen, um die Kurve herum ist er dann abgedeckt und man hat etwas mehr Platz zum laufen.
Zwischen Dammhaus und Altenau trifft man dann auf den Großen Gerlachsbach (links) und die Eisenquelle (rechts). Der Große Gerlachsbach entspringt am Bruchberg auf über 800 Metern Höhe und fliesst dann in den Dammgraben, an dem ich hier entlang gelaufen bin. Es gibt dann einen Überlauf (Fehlschlag) in Richtung Ocker. Die Eisenquelle hat eine gemauerte Einfassung. Das Wasser fliesst auch in den Dammgraben. Der Eisengehalt des Wassers ist so hoch, dass es praktisch bei Luftkontakt rostet. Da sich die herausgelösten Eisenpartikel überall festsetzen sieht es auch hübsch rostbraun aus.
Die langen Strecken entlang von Wasserrinnen waren sehr angenehm zu laufen, da es weder Auf- noch Abstiege gibt. Nach Altenau ging es nun weiter am Dammgraben entlang. Allerdings fand ich es hier sehr unangenehm, wenn es links des Weges steil abwärts geht, während ein böiger Wind über die entwaldeten Berge pfiff. Ansonsten gab es das Grabenhaus Rose (Ferienhäuser zu vermieten), der hübsche Anblick der Häuser von Altenau und der Klassiker dieser Tour: verlaufen. Die Schilder zeigten den Berg hoch, die Karte entlang des Dammgrabens.
Natürlich musste ich den Berg hochlaufen. So erkletterte ich statt des 625 Meter hohen Schachtkopfes, die 918 Meter hohe Wolfswarte. Es sind ja bloß 300 Höhenmeter mehr. Belohnt wurde ich mit einer schönen Aussicht. Unterwegs gab es auf dem Oberen Bruchbergweg eine Schutzhütte, die tatsächlich Schutz bot. Im übrigen war dort auch richtiger Wald. Ich unterhielt mich kurz mit anderen Wanderern über das Brockenwetter und dann ging es weiter aufwärts, bis ich irgendwann eine weitere Schutzhütte erreichte.
Oben auf dem Kamm gab es auch etwas mehr Schnee. Ich schlug mich durch ein bisschen Tiefschnee und gelangte zu ein abwärts führenden Bach, der vermutlich bei mehr Schnee als Loipe genutzt wird, wie die Beschilderung sagte. Der Hund der Wanderer, die ich dort traf, weigerte sich abwärts zu laufen. Der Hund meinte, da seien Wölfe, und guckte grimmig ins Unterholz. Aber eigentlich hatte er keine Lust auf kaltes Wasser und wollte getragen werden. Ich hüpfte in Rekordzeit den Berg hinab.
Dann ging es auf einem verschneiten Pfad durch den Wald im Tal. Letztendlich gab es auch ein bisschen Moor. Dort lag Holz auf dem Weg, damit man nicht versinkt. An einer Stelle fehlte allerdings das Holz und ich flutete meinen rechten Schuh mit braunem Moorwasser. Bei dem kleinen Kälteschock fiel mir ein, das ich ein YT-Video gesehen hatte, wo der Wanderer an derselben Stelle seine Schuhe flutete. Egal, nur noch ein Kilometer bis zum Torfhaus, der heutigen Übernachtung.
Die Übernachtungen (1x Campingplatz und 3x Hotel) hatte ich vorher gebucht. Da gingen 500 Euro drauf. Naja, auf Übernachtung im Schlafsack hatte ich keine Lust. Das Torfhaus hatte Werbung mit ihrer Kapsel-Kaffeemaschine gemacht. Während meine Schuhe auf der Heizung trockneten, benutzte ich das Gerät als Wasserkocher für viele Tassen Tee. Unterwegs hatte ich durch den Kocher-Ausfall nur kaltes Wasser getrunken. Man will ja nicht enden wie LetsHugo. Eigentlich war geplant, unterwegs mit dem Kocher Kaffee oder Tee zu kochen. Ausruhen für den großen Berg.
Etappe 3 am 06.12.2024:
Torfhaus – Brocken – Drei Annen Hohne
Strecke 19,9 km; Aufstieg 338 hm; Abstieg 597 hm
Ab Torfhaus gibt es zwei Möglichkeiten den Hexen-Stieg weiterzuwandern. Die sogenannte Brockenumgehung mit allerdings 30 Kilometer Länge – deshalb kam es für mich nicht in Frage. Und der Weg über den Berg, mit 20 Kilometern. Konnte man am Abend noch aus dem Hotelzimmer den Gifel sehen, so war am Morgen alles nebelig. Das hatten schon andere Wanderer erzählt, die die Brocken-Webcam angesehen hatten. Auf dem Berg nur Nebel. Sichtweite: ein paar Meter.
Kurz vor 09:00 Uhr brach ich dann vom Hotel aus auf. Es ging ein kurzes Stück die Straße entlang und dann war ich wieder auf dem Hexen-Stieg, welcher direkt ins Moor führte. Das Torfhausmoor liegt in rund 800 Meter Höhe zwischen Torfhaus und dem Brocken. Es ist rund 30 Hektar groß und hat eine rund 10000 Jahre alte, 5 Meter dicke Torfschicht. Der Hexen-Stieg heißt hier auch Goetheweg, weil der Dichterfürst hier mal spazieren war.
Ich schwebte derweilen, wie einst Kate Bush, durch den Zauberwald. „Stepping out of the page. Into the sensual world. Stepping out. To where the water and the earth caress.“
Ich folgte den Spuren von zwei Wanderern und ihrem Hund im Schnee, die offensichtlich kurz vor mir entlang gelaufen waren. Ich machte mir etwas Sorgen, da die Spuren des Hundes plötzlich im Wald verschwanden und nicht mehr auftauchten. An der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze holt ich die Wanderer ein. Sie wussten nichts von einem Hund.
Der Hexen-Stieg trifft dann auf Schmalspurschienen und umrundet fast zwei Kilometer lang mit ihnen den 1034 Meter hohen Königsberg. Dort fährt die Brockenbahn, die dann auch tatsächlich an mir vorbeifuhr. Meist, wie auch zu diesem Moment, mit einer Dampflokomotive bespannt. Dazu später mehr. Während ich weiterlief machte ich schon Planungen für die weitere Strecke, da sich das Wetter spürbar veränderte.
Schließlich gelangte ich zum Bahnübergang der Brockenstraße. Hier hatte sich der leichte Schneefall in einen kleinen Schneesturm verwandelt und ich beschloss nicht auf das Gipfelplateau hinaufzulaufen, sondern weiter auf dem Hexen-Stieg, der hier die Brockenstraße war, talwärts. Der Schneesturm war kein Problem, dafür war ich richtig angezogen. Es ging nun zwei Kilometer abwärts bis zum Brockenbett, welches ungefähr zweihundert Höhenmeter unter dem Gipfelplateau liegt.
Beim Brockenbett biegt der Hexen-Stieg östlich in den Wald ab. Vorher war da noch eine Schutzhütte, die völlig nass war, also ihre Berufung verfehlt hatte. Es ist auch sehr klug, den Eingang genau in die Wetterrichtung zu bauen. Ich machte trotzdem eine kleine Pause und fegte den Schnee von Jacke und Rucksack. Der Schneesturm hatte sich zwischenzeitlich in einen Dauerregen verwandelt, der bis zum Ende dieser Etappe anhalten sollte. In einer weiteren Schutzhütte, wollte ich mal die Strümpfe wechseln, weil alles nass war. Leider auch die Ersatzstrümpfe im Rucksack.
Der Hexen-Stieg heißt hier Glashütten weg. Nach zwei Kilometern umrundete ich, durch Schneematsch stampfend, den 848 Meter hohen Erdbeerkopf. Die Beschilderung führte mich auf einen nördlichen Trampelpfad, während die Karte eine südliche Umrundung zeigte. Nach einem weiteren Kilometer fand ich noch den Trudenstein am Wegesrand. Man kann eine Aussichtsplattform besteigen. Das war mir allerdings zu glatt und gesehen hätte man sowieso nichts.
Letztendlich gelangte ich zum Kräuterhof in Drei Annen Hohne, wo ich zwei Übernachtung gebucht hatte (weil einzelne Tage nicht angeboten wurden). Im Hotelzimmer mit Blick auf den Bahnhof der Brockenbahn trocknete ich erstmal alles was ich angezogen hatte. Auch im Rucksack war sehr viel nass geworden. Irgendwann schlief ich dann mit Musik vom TV ein. Die Etappe war nicht so anstrengend wie ich dachte, aber halt sehr nass.
Am nächsten Tag fuhr ich nach dem Frühstück um 10:30 Uhr mit der Brockenbahn auf den Brocken. Dort guckte ich mit eine Stunde lang den Nebel an und fuhr dann wieder zurück. Der Spaß kostete 55 Euro. Den Rest des Tages ruhte ich mich aus für die anstrengende vierte Etappe über 30 Kilometer.
Etappe 4 am 08.12.2024:
Drei Annen Hohne – Altenbrak (Nordvariante)
Strecke 29 km; Aufstieg 238 hm; Abstieg 494 hm
Zu dieser Etappe bin ich bereits 6:30 Uhr aufgestanden, um 7:30 Uhr zu frühstücken und 08:30 Uhr das Hotel zu verlassen. Vor dieser Etappe hatte ich ein bisschen Angst, den der Aufwand für 30 Kilometer durch Mittelgebirge war nicht genau einzuschätzen. Ich vermutete, dass ich zehn Stunden brauchen würde und damit sollte ich Recht behalten. Auch sonst war dies die krasseste Etappe der ganzen Tour.
Die ersten Kilometer durch das Steinbachtal genoss ich einen sehr schönen Sonnenaufgang. Auch heute hätte es zwei Varianten gegeben. Die Südvariante über Hasselfelde – das klang irgendwie nicht so toll. Und die Nordvariante, mit der Möglichkeit die 483 Meter lange Hängebrücke „Titan RT“ zu überqueren. Nord und Süd meint hier nördlich und südlich der Rappbode-Talsperre. Aber erstmal kam der schöne Ort Königshütte wo sich der Weg in die beiden Varianten teilt.
In Königshütte ist man sehr touristenfreundlich. Rastplätze mit Mülltonnen, schöne Ausschilderung und sogar (gleich als erstes) ein künstlich angelegter Wasserfall – ebenfalls mit einem schönen Rastplatz. Auf dem weiteren Weg noch eine hübsche Holzfigur. Im Ort fliessen die kalte Bode und die warme Bode zusammen. Ich entschied mich übrigens für die Nordvariante. Dabei verzichtete ich auf eine Besichtigung der Königsburg, denn dafür hätte ich den Berg hinaufkraxeln müssen.
Ich musste noch einige Male über die gestrige Dampflokfahrt nachdenken. Da fahren nun seit zweihundert Jahren kohlebefeuerte Dampflokomotiven durch die Gegend und man wundert sich immer noch über Brände entlang der Strecken.
Der Hexenstieg führte nun entlang des Talsperre Königshütte, welche die Bode entlang von zwei Kilometern aufstaut. Es gibt einen Rastplatz und in der Nähe der Staumauer einen Rastplatz für Angler. Die Talsperre dient tatsächlich auch der Stromerzeugung. Übrigens wird ein Teil des Wassers von hier aus in einem fast zwei Kilometer langem Stollen zur Rappbode-Talsperre umgeleitet. Von nun an führt der Weg entlang der Bode bis nach Thale.
Die nächsten Kilometer ging es recht idyllisch weiter. Irgendwo an dieser Stelle waren dann auch zwei Drittel des Hexen-Stiegs bewältigt. Noch zwei Kilometer und die Hälfte der vierten Etappe war auch vorbei. Leider war ich auf dem Weg nach Rübeland wieder vom Hexen-Stieg abgekommen und lief einfach weiter die Bode entlang – auf einem „Weg der Kaiser und Könige“. Der Name kam mir bekannt vor. 2014 war ich auf dem Europaradweg R1 ein paar Kilometer nördlich auf einem Weg gleichen Namens gefahren (irgendwo zwischen Blankenburg und Thale).
Ich lief dann auf der Straße durch den Ort. Die Baumannhöhle hab ich hier mal als Kind besucht, da wäre nun auch keine Zeit gewesen. Also weiter. Es ging wieder den Berg hoch. Zwischendurch trennten zwei ältere Damen ihre verliebten Hunde und oben auf dem Berg war ein Strommast, ein Ferienbungalow und ein Braunbär. Den Bären habe ich natürlich fotografiert, sonst glaubt einen das ja niemand. Keine Ahnung – irgendwas mit Bienen.
Wieder abwärts, die Bode entlang nach Neuwerk, wo die Kirchturmglocke 14:00 Uhr schlug. Dort fand ich den Abzweig zur Titan RT nicht und beschloss dann weiter auf der Nordvariante zu laufen. Hier wurde es recht anstrengend, man musste ständig über Bäume klettern, unter Bäumen kriechen oder kleine Umwege laufen. Das wurde dann langsam anstrengend und ich machte an eine Schutzhütte eine Pause, puderte die Füsse neu und futterte einen Power-Riegel.
Ich gelangte zur Talsperre Wendefurth die allerdings leer war und nur von der Bode durchflossen wurde. Dort ging es erstmal ganz gut vorwärts, aber ich hatte noch zehn Kilometer bis zum Etappenziel Altenbrak. Als der Hexen-Stieg dann wieder steil anstieg, versuchte ich einfach am Ufer der Talsperre zu bleiben, scheiterte dann aber an einem Felsvorsprung. Die Idee in der Talsperre zu laufen, gab ich auf, weil es etwas „schwammig“ wurde. Also wieder zurück und hoch auf den Berg.
Nun ging es ewig lang im Nebel irgendwelche Feldwege entlang. Mich verwirrte die Ausschilderung „Almsfeld“. In einer Biegung sollte man über Felsen bergab steigen. Dort war aber nicht wirklich viel zu sehen, denn es wurde langsam dunkel. Außerdem begann es zu regnen. Ich versuchte den Weg weiterzulaufen. Dieser endete aber im Nichts. Also wieder zurück, die Stirnlampe eingeschaltet, die ungefähr fünf Meter weit leuchtete und abwärts. Ich kletterte über umgestürzte Bäume, sah im Schein der Lampe eine fünf Meter hohen Wurzelteller eines umgestürtzten Baumes und stand dann ohne Weg im Wald.
Schließlich arbeitet ich mich durch den Wald und fand den Weg wieder. Es gab ein Schild und ich war wieder richtig. Weiter und weiter und endlich sah ich die Laternen von Wendefurth. Nun gab es nochmals einen kleinen Trampelpfad abwärts und auf rutschigem Laub gelangte ich endlich auf eine Straße und stand in Wendefurth. Ein bisschen verwirrte, vermutlich durch Dehydrierung, brauchte ich eine Weile, um mich zu orientieren. Schließlich fand ich die Bodestraße nach Altenbrack
und machte mich an die letzten Kilometer.
Ich lief inzwischen relativ mechanisch: einfach einen Fuß vor den anderen. Ich ignorierte die Schmerzen am linken Fuß, wo sich eine hübsche Blase gebildet hatte (wie ich später sah). Die Stirnlampe zeigte zwischen herumflimmernden Regentropfen ein bisschen Weg. Die Bode, die links des Weges zu hören war, wurde mal lauter mal leiser. Sureale Stimmung.
Schließlich führt ein Weg rechts den Berg hoch. Ich vermutete, dass es eine Abkürzung einer Bode-Schleife war und sollte auch recht behalten. Was ich natürlich nicht wusste, der Abweg zurück zur Bodestraße, auf der anderen Seite, war wieder eine kleiner gefährlich rutschiger Trampelpfad. Und auch der letzte Teil der Südvariante des Hexen-Stiegs. Überlebt.
Nun war ich endlich in Altenbrak – leider auf der falsche Seite der Bode. Mir fiel bei der Gelegenheit auch ein, das ich bereits zuhause im Internet gelesen hatte, das die Bode-Brücke in Altenbrak gesperrt sei. Nach weiteren hundert Metern und einer putzigen Heilquelle fand ich die Brücke. Sie war natürlich gesperrt.
Für Autos gesperrt. Für Radfahrer gesperrt. Von Fußgängern stand da nichts. Auf der anderen Seite suchte ich noch das Hotel für die heutige Übernachtung: Den Harzer Jodlermeister, wo mich nette Boomer-Senioren empfingen. Der linke Fuß hatte einen Blutblase, die Schuhen brauchten die Heizung, ich versuchte die Hosen vom Schlamm zu befreien und schlief dann ein.
Etappe 5 am 09.12.2024:
Altenbrak nach Treseburg
Strecke 14,2 km (bis Thale); Aufstieg 183 hm; Abstieg 297 hm
Am letzten Tag wollte ich dann wegen der Blutblase nur noch bis Treseburg und dann von dort mit dem Bus nach Thale. Ich sollte übrigens nie in Thale ankommen. Dazu später. Aber erstmal gab es ein schönes Frühstück im Jodlermeister und ich machte mich auf den Weg. Übrigens war der letzte Teil des Hexenstiegs vor Treseburg wegen fallender Bäume und Steinschlag dauergesperrt.
Ich lief vom Hotel aus nördlich der Bode weiter und kam nach vierhundert Metern zu einer weiteren Bode-Brücke, die nicht gesperrt war. Auf der anderen Seite der Bode ging es mal wieder bergauf. Un zu einer Waldbühne. Leider fing der linke Fuß an zu schmerzen, das Blasenpflaster hatte sich vermutlich schon verschoben. Das nasse Lauf und die nassen Böden waren teilweise schon wieder überfroren.
Danach fogt die Jägerbaude, eine Gaststätte und Ferienhausanlage, bevor es wieder in Richtung Bode geht. Schließlich gab es wieder ein wichtiges Hinweisschild, welches besagte, dass man lieber die Straße entlang laufen sollte. Natürlich blieb ich auf dem Wanderweg, um noch ein bisschen Abenteuer abzugreifen. Bei vermutetem Steinschlag, sollte man sich Nahe der Felswand aufhalten und sich zur Not dort dranzudrücken und den Kopf zu schützen.
Ich sah aber nicht sehr viele Steine, die vor kurzer Zeit heruntergefallen sind. Das Problem bei diesem Weg waren eher die heruntergefallenen Bäume. Also gab es zum Schluss noch ein bisschen Kletterei und Drunterhindurchkriechen. Aber der Weg war sonst durchaus begehbar, zumindest wenn man am Vortag mit Stirnlampe im Dunkeln über die Berge gelaufen ist, schien es eher einfach.
Nach einem weiteren Bogen ist der Hexenstieg dann dauerhaft gesperrt. Weiterlaufen unmöglich – die Umleitung über die Straße zur Bode-Brücke in Treseburg ist ausgeschildert. Erstmal geht es über eine Fußgängerbrücke zur Straße und dann die Straße entlang bis zum Kreisverkehr am Rübezahl und Hotel Forelle. Dort war ich im Vormonat und bin von Treseburg durch das Bodetal nach Thale gewandert. Ein Weg der im Winter regelmäßig gesperrt ist.
Am Kreisverkehr fahren auch die Busse. Theoretisch. Zwei nette Frauen an der Haltestelle infomierten mich, dass der vorherige Bus ausgefallen ist. Wir warteten zusammen auf den 11:20 Uhr – Bus, der dann mit reichlich Verspätung tatsächlich ankam. Wegen der schwierigen Fahrbahnverhältnisse (überschneite und überfrierende Glätte) fuhr der Bus aber nicht nach Thale, sondern nach Blankenburg. Aber erstmal ging es wieder zurück nach Altenbrack, dann wieder nach Treseburg und schließlich nach Blankenburg.
Seit Erfindung des Deutschland-Tickets lassen mich solche Sachen völlig kalt. Von Blankenburg wäre auch ein Bus nach Thale gefahren, aber es gab ja einen Bahnhof. In Blankenburg war ich schonmal mit dem Fahrrad auf der „Kreuzfahrt“ vor zehn Jahren. Mit dem RE 31 ging es dann nach Halberstadt, von dort mit dem RE 4 nach Halle und von dort mit der S 5 nach Leipzig, wo ich am späten Nachmittag eintraf.
Hier nochmal alle Links aus dem Harz:
Fahrrad: Kreuzfahrt 2014
Bahn und Rad: Wernigerode und Halberstadt 2014
Bahn und Rad: Thale und Quedlinburg 2014
Wandern: Hexenstieg Treseburg bis Thale 2024