Auf Leipzigs Fußwegen sind seltsame Metalbögen eingelassen. Dabei handelt es sich um die Leipziger Notenspur. Ein Fünf-Kilometer-Rundkurs durch die Leipziger Musikgeschichte, den Einige gern als UNESCO-Weltkulturerbe sehen würden. In den Abendstunden des 21. August bin ich den Kurs – mit einigen Abweichungen – mit dem Fahrrad abgefahren.
Die kleine Reise beginnt am MDR-Kubus. Der schwarze Würfel, den Peter Kulka entworfen hat, steht auf dem Augustusplatz vor dem Uni-Riesen. Mit schwarzen Würfeln hat ja man anderenorts etwas Probleme (z.B. in Hamburg), weil man es als eine Anspielung auf die Kaaba in Mekka interpretieren könnte. Unsere Blackbox steht seit 2001 und hat bislang keinen Zorn erregt. Dort probt das MDR Sinfonieorchester und der Rundfunkchor. Durch eine Brücke ist der Kubus mit dem Neuen Gewandhaus verbunden.
Im ursprünglich Gewandhaus für Tuchmacher im Gewandgäßchen wurden ab 1781 Konzerte veranstaltet. Später abgerissen steht dort heute das Städtische Kaufhaus. Das zweite Gewandhaus wurde 1882–1884 nach Plänen von Martin Gropius in der Grassistraße errichtet und begründete das Musikviertel. Es wurde im Zweiten Weltkrieg weggebombt. Genau zweihundert Jahre nach dem ersten wurde 1981 das dritte Gewandhaus auf dem Augustusplatz durch Erich Honnecker eröffnet. Seine Aussprache von „Orschester“ bei der Eröffnungsrede führte zu vielen Lachsalven der Leipziger.
Vor dem zweiten Gewandhaus stand bis 1936 ein Denkmal von Felix Mendelssohn Bartholdy. Dort gründete er auch das erste deutsche Konservatorium. Das Haus in der Goldschmidtstraße 12, in dem der Komponist, Pianist und Organist die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte, ist die nächste Station der Notenspur. Heute ist in dem Haus ein Museum. Eine seiner bekanntesten Kompositionen, die Musik zu „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare, schrieb er aber noch in Berlin. Dort wurde er auch beerdigt.
Die Komponisten Hoffmeister und Kühnel gründeten 1800 ein „Bureau de Musique“. Vierzehn Jahre später kaufte Carl Friedrich Peters den Musikverlag auf, der dann „C. F. Peters“ hieß und eine „Edition Peters“ herausgab. 1894 wurde durch den damaligen Inhaber Max Abraham eine Musikbibliothek in der Goldschmidtstraße 26 gegründet. In der „Edition Peters“ sind übrigens auch viele Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy erschienen. Bei Abraham weilte auch oft Edvard Grieg. Um die Ecke, Talstraße 10, ist eine Gedenk- und Begegnungsstätte für den norwegischen Komponisten.
Im Grassi-Museum gibt es eine schöne Sammlung von Musikinstrumenten, die ich mir vor einem Jahr ausgiebig angeguckt habe. Sehr sehenswert. Gleich dahinter, ebenfalls am Täubchenweg, liegt der Alte Johannisfriedhof. Auf dem ältesten Leipziger Friedhof war auch Bach begraben, der später in die Johanniskirche und dann in die Thomaskirche umverlegt wurde.
Hier wich ich von der offiziellen Route (Schumann-Haus in der Inselstraße) ab und guckte mir das Reclam-Carée an. Der Reclam Verlag wurde von Anton Philipp Reclam 1828 in Leipzig gegründet und war für seine „Universal Bibliothek“ berühmt. Das Leipziger Stammhaus in der Inselstraße wurde 2006 endgültig geschlossen. In der Büttnerstraße befindet sich aber noch einer der Verlage, die das Grafisches Viertel ausmachten.
Der 1807 gegründete Friedrich-Hofmeister-Musikverlag befindet sich noch immer am alten Standort. Hofmeister war übrigens Azubi bei Breitkopf und Härtel, ebenfalls ein Musikverlag, und Geselle bei dem bereits genannten „Bureau de Musique“. Er handelte auch mit Klavieren und Musikerporträts.
Nun ging es mit dem Fahrrad – über den „Ring“ – zum Wagner-Denkmal. Diese 1904 gefertigte Wagner-Büste stammte ursprünglich von Max Klinger. Hier zu sehen ist ein Nachguss von 1983. Zum 200. Geburtstag von Wagner am 22. Mai 2013 wurde in Leipzig ein weiteres Wagner-Denkmal eingeweiht, das in der Nähe seines Geburtshauses steht, auf dem originalen Sockel von Max Klinger. Dieser stand ursprünglich an der Stasi-Ecke auf der anderen Seite des „Rings“. Es ist kompliziert.
Gleich daneben steht die Oper Leipzig. 1960 wurde das Leipziger Opernhaus mit Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ eröffnet. Im Vorgängerbau, der von 1868 bis 1943 an gleicher Stelle stand, wurde 1878 erstmals Wagners „Ring“ außerhalb von Bayreuth aufgeführt. Von Juli 1886 bis Mai 1888 dirigierte der österreichische Komponist Gustav Mahler. Vor 1868 befand sich hier ein Berg. Der Schneckenberg war Teil eines Landschaftsparks und wurde oft zum rodeln benutzt. Theodor Körner schrieb auf der kleinen Erhebung „Lützows wilde, verwegene Jagd“. Vom Park ist heute noch eine kleine Grünanlage mit Schwanenteich erhalten.
Am Nikolaustag, dem 6. Dezember 1512, konnte die erste weltliche Schule Leipzigs eingeweiht werden: die Nikolaischule. 1872 ist die Schule in die heutige Goldschmidtstraße umgezogen. Berühmte Schüler waren Gottfried Wilhelm Leibniz, Johann Gottfried Seume, Emil Adolf Roßmäßler, Hermann Schulze-Delitzsch, Richard Wagner und Karl Liebknecht.
Das Museum der bildenden Kunst auf dem ehemaligen Sachsenplatz wurde im Dezember 2004 fertiggestellt und kostete 74,5 Millionen Euro. Der Vorgängerbau stand übrigens auf dem Augustusplatz, anstelle des Neuen Gewandhauses und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. In den 61 Jahren dazwischen gab es verschiedene Interimslösungen. Die Sammlung beinhaltet 3.500 Gemälde, 1.000 Skulpturen und 60.000 grafische Blätter.
Am Markt muss man das Fahrrad schieben. Das Altes Rathaus beherbergt seit 1909 das Stadtgeschichtliche Museum. Hier ist das einzige authentische Porträt Johann Sebastian Bachs, von Elias Gottlob Haussmann, zu sehen. 1723 unterzeichnete der Thomaskantor in der Ratsstube seine Anstellungsurkunde. Durch das Barfußgäßchen gelangt man zu einer Außenstelle des Museums.
„Zum Arabischen Coffe Baum“ heißt das kleine Museum in der Kleinen Fleischergasse. Natürlich geht es um die sächsische Kaffeegeschichte. Im Restaurant wird seit über dreihundert Jahren Kaffee ausgeschenkt. Die Gästeliste reicht von August dem Starken bis Napoleon. Hier verkehrten Johann Sebastian Bach, Robert Schumann, Franz Liszt und Richard Wagner.
Auf dem Dittrichring ging es mit dem Fahrrad zur Thomaskirche. Dort gelangt man zuerst zum Mendelssohn-Denkmals. Es wurde 2008 errichtet und ist die Rekonstruktion des alten Mendelssohn-Denkmals, das 1936 zerstört und eingeschmolzen wurde. Ein Stück weiter ist das älteste Bach-Denkmal der Welt, welches von Felix Mendelssohn Bartholdy gestiftet wurde.
Direkt neben der Thomaskirche gibt es ein weiteres Bach-Denkmal und ein Bach-Museum. Seit 1949 ist der Thomaskantor auch in der Kirche begraben. Dort tritt regelmäßig der Thomanerchor auf. Zu den Thomaskonzerte vorwiegend mit Werken von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy.
Hier endet nun meine kleine Rundfahrt. Die weiteren Stationen des Rundkurses habe ich weggelassen, weil da nicht viel zu sehen ist.